[Die ist ein anonymer Gastbeitrag, der uns zugespielt wurde. Er wurde redaktionell nicht überarbeitet. Wir haben die Fakten jedoch vor der Veröffentlichung geprüft und können die Authentizität bestätigen.]


Nach Artikel 82 der DSGVO haben Betroffene einen Schadensersatzanspruch bei rechtswidriger Datenverarbeitung. Dies gilt nicht nur für materielle Schäden sondern auch explizit für immaterielle Schäden. Ein konkreter Fall aus dem hessischen Limburg lässt aber erhebliche Zweifel aufkommen, ob das Recht der Europäischen Union vor deutschen Gerichten auch wirklich immer Anwendung findet.

Die DSGVO ist auch in Deutschland mittlerweile seit über zwei Jahren in Kraft getreten. Eigentlich müssten dies auch die zuständigen Gerichte in Deutschland mitbekommen haben und das Gesetzeswerk dementsprechend umsetzen. Schließlich sind ja auch Richter trotz Ihrer Unabhängigkeit an Recht und Gesetz gebunden. So heißt es jedenfalls.

Nachdem viele Aufsichtsbehörden es mit der DSGVO nicht ganz so genau nehmen, wäre es daher an der Zeit zu prüfen, wie die Justiz konkret die DSGVO umsetzt. Allerdings zeigt ein eklatanter Fall aus dem hessischen Limburg, dass es bei der konkreten Umsetzung des EU-Datenschutzrechts extreme Missstände gibt. Wer als Bürger vor dem dortigen Amtsgericht und Landgericht auf eine korrekte Anwendung des Rechts hofft, könnte bald feststellen, dass hier die DSGVO mit Füßen getreten wird. Dies belegt jedenfalls ein konkretes Gerichtsverfahren, das nach einer eklatanten und vorsätzlich begangenen Weitergergabe von personenbezogenen Daten in absurder Art und Weise ablief.

Eine Auskunftsanfrage nach Artikel 15 DSGVO bringt den Fall ins Rollen

Alles begann im März 2018 nachdem ein Mieter gemäß Artikel 15 DSGVO ein Auskunftsbegehren an seinen privaten Vermieter richtete. Hierbei dürfte es unbestritten sein, dass auch private Vermieter personenbezogene Daten verarbeiten und somit der DSGVO unterliegen. Nach ziemlich exakt einem Monat erhielt der Mieter dann von der Rechtsanwältin des Vermieters die gewünschten Auskünfte in gedruckter Form. Vorbildlich dürfte man meinen, doch schon nach wenigen Minuten ging aus den Unterlagen ein extremer Datenschutzverstoß hervor. Denn ziemlich schnell wurde sichtbar, dass der Vermieter eine vertrauliche und geschäftliche E-Mail, welche er vom Mieter erhalten hatte, völlig ohne Rechtsgrundlage an einen anderen Hausbewohner in Originalform weiterleite. Außerdem fügte der Vermieter dieser E-Mail noch eine persönliche Nachricht an den unberechtigten Empfänger zu. Hierin betitelte er seinen Mieter als Depp, Idiot und Nervensäge.

Limburger Dom
Limburger Dom | Foto crew2139

Der betroffene Mieter war über diesen Vorgang schockiert, was sollte man auch sonst erwarten. Es ist sicherlich nicht auszuschließen, dass diese rechtswidrige und beleidigende E-Mail nur durch Zufall bei der Auskunftsanfrage enthalten war und somit auch noch mehr solcher Verstöße vorlagen. Entsprechend legte der Mieter bei der Aufsichtsbehörde eine Beschwerde ein und versuchte sein Recht auch vor einem Zivilgericht mit einem auf Datenschutzrecht spezialisierten Anwalt geltend zu machen. Der Geschädigte bat um eine strafbewährten Unterlassungserklärung wegen der rechtswidrigen Datenverarbeitungen und der Beleidigungen. Zudem wurde gemäß Artikel 82 DSGVO einen einmaligen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 1.020 Euro gefordert. Eine Mietminderung, die für diesen Vorfall nicht absurd sein sollte. Bei der Höhe dieser Summe gilt es zu berücksichtigen, dass rechtswidrige vertrauliche Daten an einen direkten Nachbarn des Mieters mit Beleidigungen weitergeleitet wurden, was bei normaler Betrachtung, sicherlich das Wohnklima erheblich verschlechtert.

Am Amtsgericht Limburg wurde das Verfahren durch den hiesigen Direktor geführt. Dieser verhandelte zugleich eine Eigenbedarfskündigung, die der Vermieter dem Mieter ausgesprochen hat. Wie in einem kleineren Ort nicht gerade selten, kennen sich die Lebenspartnerin des Empfängers der rechtswidrigen E-Mail und der Gerichtsdirektor schon viele Jahre persönlich. In einer Terminladung zum Gütetermin und zur Verhandlung der Eigenbedarfskündigung bestätigte der Richter dieses Verhältnis in einem gerichtsfesten Dokument. Zudem gab der Amtsgerichtsdirektor an, dass sich die Lebensgefährtin zuletzt bei ihm telefonisch gemeldet hat und zufällig wissen wollte, wie lange Eigenbedarfskündigungen am Amtsgericht Limburg dauern. 

Vermieter wird zur strafbewährten Unterlassungserklärung verurteilt

Einem Amtsgerichtsdirektor sollte man eine entsprechende fachliche und soziale Kompetenz beimessen, private von beruflichen Angelegenheiten zu trennen. Deshalb wurde auch kein Befangenheitsantrag gestellt. Auch verlief das Verfahren zunächst in rechtsstaatlichen Bahnen. Laut des Protokolls des Gütetermins hielt der Amtsgerichtsdirektor die Klage auf Unterlassung für schlüssig, hatte aber nur noch Bedenken wegen des Schmerzensgeldes. Entsprechend wurde dem Vermieter samt Anwältin nahegelegt, die rechtswidrige Datenverarbeitung und die Beleidigungen anzuerkennen, wodurch ein Teil-Anerkenntnis gefällt wurde. Die strittige Frage des Schmerzensgeldes sollte dann per Endurteil geregelt werden.

Ein Datenschutzverstoß der plötzlich wieder keiner mehr ist

Mit dem ausstehenden Endurteil nahm das absurde Drama aber seinen Lauf. Denn statt über die Höhe des Schmerzensgeldes zu entscheiden, stellte der Amtsgerichtsdirektor plötzlich fest, dass es sich gar nicht um einen Datenschutzverstoß handelte. Zunächst wurde in den Urteilsgründen jetzt völlig vergessen, dass eine E-Mail weitergeleitet wurde, sondern nur die Nachricht von dem Vermieter an den Empfänger zitiert. Zum anderen wäre ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen nur festzustellen, falls der Vermieter das Geburtsdatum, den Beruf oder gegebenenfalls aus dem Mietverhältnis bekannte Einkommensverhältnisse gegenüber Dritten mitteilt.

Urteil AG Limburg
Urteil AG Limburg

Obwohl in der Klageschrift und in dem späteren Schriftwechsel dem zuständigen Richter mehrfach eindeutig mitgeteilt wurde, dass hier eine rechtswidrige Weiterleitung einer E-Mail mit personenbezogenen Daten stattfand und dem Vermieter dementsprechend vom Gericht eine strafbewährte Unterlassungserklärung wegen der rechtswidrigen Handlung im Gütetermin im Rahmen eines Teil-Anerkenntnis-Urteils nahegelegt wurde, behauptete der Amtsgerichtsdirektor plötzlich, es hätte überhaupt keinen Datenschutzverstoß gegeben.  Ein solches Urteil widerspricht jeder Logik. Entsprechend muss hier die Frage aufkommen, ob hier rechtsgültige Gesetzte angewendet wurden oder der Richter eher das Gesetz der Sympathie als Maßstab für sein Urteil setzte. Entsprechend legte der Kläger vor dem Landgericht Limburg Berufung ein. Man kennt sich ja schließlich in Limburg.

Bei der Berufung vor dem Landgericht Limburg wird es noch absurder

Am Landgericht Limburg führte die Kammer des Präsidenten des Landgerichts das Verfahren. Zuvor war der ehrenwerte Vorsitzende des Gerichts als Präsident der IT-Stelle der hessischen Justiz tätig. Spätestens jetzt, so sollte man meinen, dass ein Mann mit einer gewissen Kompetenz in Sachen Datenschutz am Werk ist. Statt allerdings den Sachverhalt aus juristischer Sicht aufzuklären, schlug der Landgerichtspräsident scheinbar wild und unkontrolliert mit der juristischen Keule umher.

Bereits kurze Zeit später teilte das Landgericht mit, das es die Berufungsklage gar nicht zulassen wolle. Zwar griff das Landgericht Limburg jetzt wieder auf, dass der Vermieter eine E-Mail weitergeleitet hat, allerdings würde es sich hierbei um eine persönliche E-Mail des Vermieters an einen Freund handeln. Im Erwägungsgrund 18 der DSGVO steht im ersten Satz tatsächlich, dass diese Verordnung nicht für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten gilt, die bei ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten vorgenommen werden. Allerdings steht hier auch, dass dies ohne Bezug zu einer wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit erfolgen muss. Dass die Vermietung einer Wohnung eine Tätigkeit mit wirtschaftlichem Bezug ist, dürfte unbestreitbar sein. Entsprechend teile auch der Vermieterbund Haus und Grund bereits im Mai 2018 mit, dass die DSGVO auch für private Vermieter gilt.

Wer jetzt glaubt, dass der Irrsinn bereits den Gipfel des Unsinns erreicht hat, wird leider schwer enttäuscht. So sieht das Gericht eine solche rechtswidrige Weiterleitung als sozialadäquates Verhalten, falls nicht der Vermietung einer solchen Weiterleitung eindeutig widersprochen hätte. Leider wurde hierzu kein Gesetz zitiert, weshalb man sich fragen muss, die Gesetze welches Landes wurden hier angewendet. Vielleicht waren es ja die Gesetze des Landes Phantasia.

Beschluss 1 LG Limburg
Beschluss LG Limburg

Wie soll ein bewusst begangener Datenschutzverstoß bei dem das Opfer auch noch beleidigt hat, sozialadäquat sein? Wieso muss ein Mieter der rechtswidrigen Weiterleitung von personenbezogenen Daten vorab widersprechen?

Als der Kläger weiterhin die Zulassung der Klage wollte und gegen den Beschluss Widerspruch einlegte, fühlte sich der Landgerichtspräsident wohl endgültig genervt. In der endgültigen Entscheidung beharrte die Kammer, dass diese E-Mail einen rein privaten Charakter hätte.

Urteilsbegründung
Urteilsbegründung LG Limburg

Nachdem schon dem Amtsgericht Limburg ein katastrophaler Fehler passiert war, wäre es die Aufgabe des Landgerichts gewesen, den juristischen Sachverhalt sorgsam und gewissenhaft zu prüfen und nicht ein sehr wahrscheinliches Fehlurteil zu versuchen zu vertuschen.

Stattdessen kommt bei diesen vielen Fehlern der Eindruck auf, dass diese Fehler, zufällig immer zugunsten des Vermieters, offenbar ein System haben. Denn während des gesamten Verfahrens wies der Anwalt des Geschädigten die Gerichte mehrmals auf den korrekten Sachverhalt hin. Vielleicht hätte der Kläger doch gleich zu Beginn der Verhandlung einen Befangenheitsantrag stellen sollen, da hier persönliche Bindungen zwischen Richter und Zeugin existierten. Aber wer kann schon davon ausgehen, dass die Gerichte solch absurde Urteile und Beschlüsse fassen. Im Strafgesetzbuch steht der Tatbestand der Rechtsbeugung gemäß §339 unter Strafe. Hier heißt es:

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

StGB §339

Natürlich ist für den Tatbestand der Rechtsbeugung der Vorsatz der Richter notwendig. Ein Schelm wer böses dabei denkt. Das diese Kette von Fehlern nur zufällig passierte und nicht ohne Vorsatz, wer soll es glauben. Aber bilden Sie sich bitte selbst Ihre Meinung. Jedenfalls dürfte es nur schwer zu bestreiten sein, dass es auch beim Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung massive Probleme gibt, falls dieses Recht hier überhaupt existiert.

Sollten andere Gerichte in Deutschland ähnlich mit der DSGVO umgehen, wäre es fatal, bei Datenschutzverstößen zivilrechtliche Schritte einzuleiten. Denn statt als Opfer auf Hilfe vom Gericht zu hoffen, könnte es passieren, dass es durch die Richter einen weiteren Schlag in die Magengrube gibt. Entsprechend würde die DSGVO für Opfer hier absolut keinen Nutzen haben. Den Opfern bliebe nur noch die Möglichkeit, auf die Hilfe der Aufsichtsbehörden zu hoffen. Dem zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten wurde auch der Verstoß gemeldet. Aber auch hier wird man eines Besseren belehrt. Die Reaktion der Behörde lesen Sie in wenigen Wochen in einem weiteren Blogbeitrag.


[Wir haben den Pressestellen der Limburger Gerichte den Beitrag im Vorwege im Volltext zur Verfügung gestellt und mit großzügiger Fristsetzung um Stellungnahme gebeten. Vom Amtsgericht Limburg erhielten wir vor der Veröffentlichung keine Antwort. Das Landgericht Limburg antwortete wie folgt.]

Sehr geehrter Herr Bennefeld,

die Rechtsauffassung und der von der 3. Zivilkammer des Landgerichtes angenommene Sachverhalt ergeben sich aus der Verfahrensakte und den darin getroffenen Entscheidungen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen diese Entscheidungen vorliegen, auch wenn diese nur auszugsweise im Text des Artikels wiedergegeben sind. Eine eigenständige Bewertung richterlicher Entscheidungen oder eine über die Entscheidungsgründe der entscheidenden Kammer hinausgehende Begründung nimmt die Pressestelle grundsätzlich nicht vor. Dies unter anderem mit Rücksicht darauf, dass eine solche nur vor dem Hintergrund und der Erläuterung des weiteren Akteninhaltes (hier etwa der Darlegung des konkreten Inhaltes der streitgegenständlichen E-Mail) geschehen könnte, welcher aber gerade nicht unbeschränkt der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden darf. Ich denke, dass sie dafür Verständnis haben.

Mit freundlichen Grüßen

E-Mail der Pressstelle des Landgericht Limburg vom 24.07.2020

[Wenn Sie auch einen interessanten Fall vorstellen möchten, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf. Unsere Leser und wir freuen uns auf Ihre DSGVO-Erlebnisse.]