[Die ist ein anonymer Gastbeitrag, der uns zugespielt wurde. Er wurde redaktionell nicht überarbeitet. Wir haben die Fakten jedoch vor der Veröffentlichung geprüft und können die Authentizität bestätigen.]


Bereits Ende Juli berichteten wir in einem Blog-Beitrag, mit welcher erschreckenden Rechtsauffassung der Präsident des Landgerichts Limburg einen schwerwiegenden Datenschutzverstoß als „sozial adäquates Verhalten“ einstuft, nachdem zuvor bereits dem Amtsgerichtsdirektor unglaubliche Fehler unterlaufen sind. Dieser Fall traf nicht nur bei uns, sondern auch in den sozialen Medien auf starkes Interesse. Ein parallel laufendes Beschwerdeverfahren bei der zuständigen Mainzer Datenschutzbehörde legt ein weiteres umfangreicheres Behördenversagen offen, welches de facto die von der DSGVO garantierten Rechte der Betroffenen aushebelt.

Wer auf der Internetseite des Landesdatenschutzbeauftragten in Rheinland-Pfalz (RLP) umschaut, könnte schnell den Eindruck gewinnen, dass es der dortige Behördenleiter besonders ernst mit seiner Aufgabe nimmt. Neben einem Aktionsplan 2020 kommunizieren die Mainzer in zahlreichen Pressemeldungen und in einem Podcast sehr gezielt, sich entschieden für diverse Belange des Datenschutzes einzusetzen. Das Beschwerdefahren, welches die Behörde im Falle der rechtswidrigen Datenweitergabe im Limburger Verfahren führte, weckt aber mehr als nur erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Behörde. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die dortige Behörde nicht nur Lieschen Müller ganz gehörig auf den Arm nimmt.

Wie ein Beschwerdeverfahren blitzschnell eingestellt wurde

Neben einer zivilrechtlichen Klage hoffte der Beschwerdeführer des Limburger Verfahrens auf Hilfe der zuständigen Behörde und nahm Mitte Juni 2019 sein Recht auf eine Beschwerde in Anspruch. Nach einem intensiven Studium der Internetseite des Landesdatenschutzbeauftragten RLP und der vielen protzigen Pressemitteilungen sollte nahezu jeder Bürger vermuten, dass sich die Behörde mit einem gewissen Mindestmaß an Engagement dieser Angelegenheit annimmt. Allerdings scheinen die flott formulierten Pressemitteilungen ziemlich wenig gemeinsam mit der realen Arbeit dieser Behörde zu haben. Denn die weiteren Ereignisse in diesem Verfahren legen einen gewaltigen Unterschied zwischen Anspruch und Realität offen.   

Bereits Mitte Juli 2019, also rund einen Monat später, erhielt der Beschwerdeführer eine Mail mit dem Betreff „Beendigung des Verfahrens.“ Laut Argumentation der zuständigen Sachbearbeitung will die Behörde nur nach Abschluss gerichtlichen Verfahrens tätig werden. Selbst ausgewiesenen juristischen Laien dürfte bekannt sein, dass Gerichtsverfahren in der Regel viele Monate dauern. Diese Untätigkeit schränkt das Recht auf Beschwerde nach Artikel 77 DSGVO nicht nur massiv ein, sondern steht auch im massiven Widerspruch zu einem effektiven Datenschutz. Deshalb entschied sich der Beschwerdeführer konkret in Erfahrung zu bringen, auf welcher Rechtsgrundlage die Behörde bei einem Gerichtsverfahren die Arbeit quasi einstellt und das Beschwerderecht zumindest mehrere Monate erst einmal gar nicht existiert?

Auszug aus Antwortschreiben des Landesdatenschutzbeauftragten RLP (Juli 2019)

Eine zentrale Begründung im Antwortschreiben aus Mainz, dass der Behördenleiter persönlich unterschrieb,  lautet im klassischen Juristendeutsch: „Das verfassungsrechtliche Gebot der Gewaltenteilung und der Respekt vor der Unabhängigkeit der Justiz gebeten es meiner Behörde als Teil der öffentlichen Bewertung nicht vorzugreifen.“ In der Regel stehen ein zivilrechtliche Verfahren und Strafverfahren bei der deutschen Justiz in keinem Konkurrenzverhältnis. Deshalb stellen Staatsanwaltschaften auch nicht ihr Ermittlungsverfahren ein, sobald ein Gericht mit einer Zivilklage in einer Angelegenheit angerufen wird. Entsprechend erscheint es als ein schlechter Karnevalsscherz, dass die Datenschützer erstmal die Akte verstauben lassen, wenn es um einen gravierenden Datenschutzverstoß geht.  Entsprechend ist die Antwort aus Mainz viel zu schwammig, zumal hier keine konkrete Rechtsgrundlage zitiert wird, sondern sich allgemeiner Floskeln bedient wird. Das damit das Recht auf Beschwerde nach Artikel 77 zumindest für viele Monate ausgesetzt wird, scheint dem Mainzer Landesdatenschutzbeauftragten nicht wirklich zu interessieren.   

Konfetti|Foto: Ylanite Koppens

Aber vielleicht oder sogar recht wahrscheinlich ist ja ein anderer praktischer Nebeneffekt vielmehr ausschlaggebend für dieses Vorgehen der Behörde. Denn letztendlich wird die Akte in solchen Fällen sprichwörtlich erstmal in einen dunklen Keller gelegt, um danach viele Monate zu verstauben oder nach einigen Jahren zu Konfetti für den Karneval verarbeitet zu werden. In Zeiten, in denen viele Behörden über eine Überlastung mit Arbeit klagen, sicherlich kein unlogischer Hintergedanke, den man aber wahrscheinlich niemals freiwillig zugeben würde. Sieht so der konsequente Einsatz für den Datenschutz aus, den die Mainzer in der Außendarstellung vorgeben oder wird man hier eiskalt zum Karnevalsnarren mit einem weit unterdurchschnittlichen IQ gehalten?   

Nach dem Zivilverfahren führt Mainz einen neuen Grund für die Unzuständigkeit an

Nachdem vor dem Amts- und Landgericht Limburg aus äußerst fragwürdigen Gründen die DSGVO konsequent nicht angewendet wurde, sollte man meinen, dass nun die Landesdatenschützer endlich fast ein Jahr nach dem Einreichen der Beschwerde Ihrer Aufgabe nachkommen und ernsthaft tätig werden. Schließlich sollte wenigstens dem Landesdatenschutzbeauftragten Herrn Professor Dr. Dieter Kugelmann der Erwägungsgrund 18 der DSGVO bekannt sein. Entsprechend schrieb ein Rechtsvertreter die Behörde erneut an und bat um Wiederaufnahme des Verfahrens.

Aber diese Hoffnung erwies sich mehr oder weniger zufällig blitzschnell wieder als Illusion. Denn mit einem mehr als knappen Schreiben, erklärte Mainz jetzt aus einem anderen Grund nicht dem Datenschutzverstoß nachzugehen, was eigentlich ziemlich exakt einem behördlichen Offenbarungseid gleichkommt. Denn im Prinzip hat man in dieser ernsthaften Angelegenheit rund zwölf Monate sich so gut wie gar nicht mit datenschutzrechtlichen Aspekten beschäftigt und mehr oder weniger nur Däumchen gedreht.

Erklärung der Unzuständigkeit der Landesdatenschutzbehörde RLP (Anfang Juli 2020)

Mit dieser mehr als erbärmlichen Antwort, die man nach rund zwölf Monaten mit größter Mühe liefern konnte, untergräbt die Behörde das Vertrauen der Bürger. Vielmehr wird auch gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie in gravierender Art und Weise verstoßen, im Rahmen des One-Stop-Shops mit einem einheitlichen Ansprechpartner gegenüber dem Bürger aufzutreten. Im Hinblick auf die medial großspurige Kommunikation dieser Behörde erscheint dieses Schreiben, das noch nicht einmal einen konkreten Ansprechpartner in Wiesbaden nennen kann, als ein weiteres Selbsteingeständnis, Datenschutzbelange in der Realität nicht wirklich ernst zu nehmen. Vor deutschen Gerichten wird im Prozessrecht in der Regel der Grundsatz perpetuatio fori angewendet. Dies bedeutet letztendlich, dass ein einmal örtlich zuständiges Gericht zuständig bleibt, auch wenn sich nachträglich die zuständigkeitsbegründeten Tatsachen so ändern, dass jetzt ein anderes Gericht zuständig wäre. Aber auch hier weicht die Behörde von dieser allgemein anerkannten Praxis ab und ist im Zweifel wohl eher immer unzuständig.

Dies lässt den Eindruck entstehen, dass die Behörde offenbar andere Prioritäten setzt und lieber viel Zeit in das Verfassen von PR-Hülsen und dem kreativen Erfinden von Gründen für das Nichtstun investiert anstatt ihrer wirklichen Kernaufgabe nachzukommen. Deshalb wurde selbstverständlich auch der Behörde die Frage gestellt, auf welcher Rechtsgrundlage man sich diesmal  wieder für unzuständig fühlt. Zugleich wurde Einsicht in die Akte eingefordert.

Antwortschreiben der Datenschutzbehörde RLP (Juli 2019)

Insgesamt war die Behörde in diesem Fall zweifelsfrei zuständig. Nachdem sich das Verfahren auf Entscheidung der Behörde um fast ein Jahr verzögert hatte, jetzt auf einen nachträglichen Grund die Unzuständigkeit zu erklären, ist ein Kinnhaken für jeden Bürger, der das Thema Datenschutz ernst nimmt. Auch verfehlen die Argumente in dem Schreiben den Kern der Fragen. Vielmehr erweckt die Landesdatenschutzbehörde den Eindruck, dass es offenbar eine ganze Liste von Gründen für die Unzuständigkeit gibt, die aber niemals offengelegt werden. Vielleicht wäre es sinnvoller für die Mainzer offen zu kommunizieren, unter welchen engen Voraussetzungen wirklich die Behörde ihrer Aufgabe in Sachen Datenschutz nachkommt. Aber für eine Kommunikation, die sich an den Belangen des Bürgers orientiert, fehlt anscheinend das Engagement.

Dankenswerter Weise, stellte die Behörde dem Beschwerdeführer dann doch auf Anfrage einen wesentlichen Teil der Akte zur Verfügung. Ein Einblick in diese Unterlagen und die gemachten Vermerke lässt den Eindruck aufkommen, wie intensiv sich Mainz mit  Beschwerden beschäftigt.

Fazit: Im Zweifel ist Mainz lieber unzuständig

Nicht jede Story gilt als authentisch|Foto: Wikiimages

Nachdem bereits dem Präsidenten des Landgerichts Limburg und dem Amtsgerichtsdirektor so schwerwiegende Fehler unterlaufen sind und zugleich der Verdacht der Vetternwirtschaft zwangsläufig aufkommen muss, sieht der Landesdatenschutzbeauftragte Prof. Dr. Dieter Kugelmann offenbar für rund ein Jahr überhaupt keinen Handlungsbedarf. Vielmehr scheint in Mainz die Kreativität extrem groß zu sein, nicht tätig zu werden und unbequeme Wahrheiten unter dem Teppich zu halten. Wahrscheinlich scheint man in Mainz der Auffassung zu sein, mit PR aus dem Elfenbeinturm das Image in der Öffentlichkeit steigern zu können. Diese Öffentlichkeitsarbeit ist ungefähr so authentisch wie die Aussagen eines „Kanonen-Kugelmanns“ aus dem 18. Jahrhundert der behauptete, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen zu können.

Natürlich könnte man jetzt meinen, dass das fragwürdige Verhalten der Datenschutzbehörde in RLP ein Einzelfall ist. Allerdings zeigen die Erfahrungsberichte von Bürgern auf Google, dass doch nicht alles in Mainz perfekt sein könnte. Jedenfalls wird in 8 von 10 Rezensionen die niedrigste Bewertung vergeben. Sicherlich ist eine solche Auswertung nicht repräsentativ. Insgesamt die Außendarstellung in einem extremen Widerspruch zur Realität zu stehen.

Wir werden über den finalen Ausgang des Verfahrens, das aktuell von der Datenschutzbehörde in Hessen geführt wird, berichten. Übrigens haben die Wiesbadener Datenschützer angesichts der gegenwärtigen Pandemie-Entwicklung die Dienststelle bis Ende August auf Notbetrieb umgestellt.


[Wir haben der Pressestelle der Rheinland-Pfälzischen Aufsichtsbehörde den Beitrag im Vorwege im Volltext zur Verfügung gestellt und um Stellungnahme gebeten. Die Antwort des Behördenleiters Prof. Dr. Kugelmann finden Sie nachstehend.]

Stellungnahme Aufsichtsbehörde RLP